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  DAS AUTORENINTERVIEW im Januar
... mit Dörthe Binkert

Thomas R.P. Mielke Grosse-Literatur: Bitte erzählen Sie ein bisschen von sich.

D. Binkert: Nun, das ist ein weites Feld. Ich wurde in Hagen/Westfalen geboren, bin in Frankfurt am Main aufgewachsen und kam während des Studiums in die Schweiz, nach Zürich, wo ich dann hängen geblieben bin und noch immer lebe. Ich wollte schon immer mit Büchern zu tun haben, schon als Kind, und habe dann auch nur einen Beruf ausprobiert und bin ihm 30 Jahre treu geblieben: ich wurde Lektorin, zuerst in einem Kinder- und Schulbuchverlag. Später wechselte ich dann zu Publikumsverlagen, wo ich jeweils das Sachbuchprogramm zu verantworten hatte. Als Lektor/Lektorin stellt man sich ganz in den Dienst seiner Autoren: man bemüht sich beim Redigieren, falls notwendig, die Dinge so zu formulieren, wie sie der Autor eigentlich gemeint hat oder vielleicht sagen wollte. Man schlüpft also ganz in die Haut des anderen, versucht, seinen Text von ihm her zu verstehen und dabei trotzdem die Bedürfnisse der Leser und des Marktes nicht aus den Augen zu verlieren. Irgendwann erwachte dann der Wunsch, nicht nur an den Sätzen anderer zu feilen, sondern sie selbst zu formulieren. Jetzt hat mein Lektor die Aufgaben bei meinen Büchern, die ich vorher bei meinen Autoren hatte. Jeder Schreibende braucht dieses Gegenüber, weil man nicht immer genügend Abstand zum eigenen Text hat – haben kann.

Grosse-Literatur: Wie kamen Sie zum Schreiben und wie war der Weg bis zur Autorin?

D. Binkert: Das war ein langer Weg zum Schreiben! Mit 40 habe ich mein erstes Sachbuch geschrieben – über Frauen von 40, ihre ursprünglichen Wünsche und Vorstellungen, das, was daraus wurde und ihre Pläne und Gedanken für die Zukunft.
Mit jedem weiteren Buch wurde mein Stil dann feuilletonistischer, erzählender und persönlicher, bis sich der Gedanke aufdrängte, es zunächst mit einer Erzählung ("Die Weihnachtsrose") und dann mit einem Roman zu versuchen.
Das hat alles ziemlich lange gedauert – vielleicht, weil man besonders hohe Maßstäbe an sich anlegt, wenn man so lange wie ich in der Verlagsbranche gearbeitet hat und täglich mit Büchern umgeht.

Grosse-Literatur: Wie lange hat es gedauert Ihren ersten Roman zu schreiben?

D. Binkert: Ziemlich genau drei Jahre.

Grosse-Literatur: In „Weit übers Meer“ begaben Sie sich auf die Spur einer wahren Geschichte, in der eine Frau als blinder Passagier an Bord der „Kroonland“ den Ozean in Richtung New York überquerte. Wie sind Sie auf die „Dame in Weiß“ gestoßen?

D. Binkert: Ein Freund brachte mir eines Tages eine Zeitungsnotiz mit, die hundert Jahre später an diese merkwürdige Geschichte erinnerte, über die 1904 in der New York Times berichtet worden war.
Und dieser Freund fand, das sei doch ein Romanstoff für mich. Er hatte Recht!

Grosse-Literatur: Was hat Sie an diesem Schicksal besonders fasziniert?

D. Binkert: Die Dame, die im Sommer 1904 den Ozeandampfer „Kroonland“ bestieg, war ein sehr ungewöhnlicher blinder Passagier – offensichtlich wohlhabend, schön und rätselhaft.
Es kam nie heraus, wie sie auf das Schiff gelangt war. Die Tatsache, dass sie ein wunderschönes weißes Abendkleid trug (mit dem man sich damals tagsüber des Dekolletés wegen nicht zeigen durfte) und dass sie trotz ihrer offensichtlich guten Herkunft kein Ticket, kein Gepäck und kein Geld bei sich hatte, hat schon damals die Fantasie der Menschen beschäftigt. Mir ging es nicht anders.
Die Unbekannte und das weiße Kleid, das sie trug, erschienen mir wie eine weiße Leinwand, auf die man eigene Fantasien projizieren kann. So machte ich den „blinden Passagier“ zu einer „leeren (unbekannten) Mitte“, um die im Roman die Gedanken und Fantasien der Mitreisenden kreisen. Diese Gedanken verraten letztlich mehr über die Personen, die sie anstellen, als über die schöne Fremde selbst, der ich so lange wie möglich ihr Geheimnis lassen wollte. Ihre Geschichte enthüllt sich erst ganz allmählich. Indem die anderen Mitreisenden über diese Frau nachdenken, denken sie mehr und mehr über sich selbst und ihr Leben nach – und machen so eine Entwicklung durch, die aus der äußeren Überfahrt übers Meer schlussendlich auch eine innere Reise hin zu einem neuen Leben macht. Nicht zuletzt entdeckt auch die rätselhafte Fremde auf dieser Überfahrt sich selbst und die Liebe neu.

Grosse-Literatur: Seit vielen Jahren schreiben Sie auch Sachbücher – erst im Februar 2008 erschien „All die schönen Wörter ... die wir vor dem Untergang retten sollten“. Was macht Ihnen mehr Spaß, das Schreiben von Romanen oder Sachbüchern?

D. Binkert: Das Schreiben von Sachbüchern und Romanen ist etwas ganz und gar Verschiedenes. Das zu entdecken war sehr spannend für mich. Für ein Sachbuch überlegt man sich eine Gliederung und kann dann eigentlich ziemlich gut der eigenen Gliederung folgen und die einzelnen Kapitel schreiben. Auch beim Roman hat man natürlich eine Vorstellung von der Handlung, von den Charakteren. Aber es ist absolut spannend, während des Schreibens mitzuerleben, wie die einzelnen Personen lebendig werden und eigene Wege einschlagen, die man gar nicht geplant hat. Man erlebt ständig Überraschungen, die man beim Sachbuchschreiben so nicht hat. Deshalb empfinde ich das Schreiben von Romanen vielleicht nicht als schöner, aber doch als viel spannender, aufregender, bunter. Ich setze mich tatsächlich jeden Morgen vor den Computer und weiß zwar, was für eine Szene ich angehen möchte, aber nicht, wie sie ausgehen wird – das ist großartig!

Grosse-Literatur: Gibt es vielleicht ein neues Projekt über das Sie uns schon ein wenig verraten können?

D. Binkert: Zur Zeit schreibe ich an meinem zweiten Roman. Er spielt etwa in der gleichen Zeit wie „Weit übers Meer“ – im Jahr 1896 – im Engadin in der Schweiz, als dort die großen Palasthotels eröffnet wurden, wo sich die bessere Gesellschaft aus Europa und Übersee traf. Gleichzeitig waren die Menschen, die in den Bergen lebten, damals oft äußerst arm, es gab also große gesellschaftliche Gegensätze. Es war auch die Zeit der großen Sanatorien in den Bergen, da man die weit verbreitete Tuberkulose damals noch nicht anders behandeln konnte als mit Sonne und viel frischer, gesunder Luft. Auch der damals sehr berühmte Maler Giovanni Segantini wird in meinem neuen Roman eine Rolle spielen; er lebte damals nahe St. Moritz in Maloja und hat selbst eine sehr interessante Geschichte.

Grosse-Literatur: Über wen oder was möchten Sie irgendwann einmal schreiben?

D. Binkert: Das kann ich im Moment nicht sagen. Ich wollte schon seit langem über Segantini schreiben, und das tue ich gerade. Weiter habe ich noch nicht gedacht.

Grosse-Literatur: Gibt es Vorbilder, die Sie besonders beeindruckt haben?

D. Binkert: Ein verstorbener Freund, Ben Witter, hat mich sehr beeindruckt. Er hat wunderbare Porträts über Menschen geschrieben, die er interviewt hat, und besaß eine großartige Menschenkenntnis.

Grosse-Literatur: Was lesen Sie privat am liebsten?

D. Binkert: Ich liebe die Texte von Joseph Roth, Kurt Tucholsky, bewundere aber immer wieder ebenso die große Erzählkunst Balzacs, Flauberts, Tolstois und – so altmodisch es klingt – die „Wahlverwandtschaften“ von Goethe.

Grosse-Literatur: Das Schriftstellerdasein besteht neben dem eigentlichen Schreiben auch aus Recherche, Lesungen, Interviews und vielem mehr. Gibt es etwas, dass Ihnen neben dem Schreiben besonders Spaß macht?

D. Binkert: Ich recherchiere sehr gerne. Das ist vielleicht eine Leidenschaft aus alten Sachbuchzeiten: langsam das Thema zu entdecken, den Stoff zu sammeln, aus dem sich oft von ganz allein die Geschichten ergeben, wenn man die Quellen mit Fantasie betrachtet.
Erholen tue ich mich am besten in der Natur und im Zusammensein mit Freunden. Und beim Kochen.

Grosse-Literatur.de: Wie sieht ein Arbeitstag für Sie aus?

D. Binkert: Ich arbeite tagsüber am besten. Deshalb sitze ich möglichst so ab halb neun entweder an der Recherche oder am Computer zum Schreiben. Am späteren Nachmittag geht mir dann die Puste aus – Schreiben ist ziemlich anstrengend. Ich mache nach Möglichkeit einen Spaziergang im Wald, um den Kopf frei zu kriegen und erledige dann Praktisches und die Krimskramssachen, für die man nicht alle Aufmerksamkeit braucht. Abends sehe ich sehr gern Freunde. Das Schreiben ist eine einsame Tätigkeit, ich möchte dann wirklich Menschen sehen, die mir lieb sind, mich austauschen, unterhalten oder auch unterhalten lassen. Im Kino zum Beispiel. Auftanken und aus der Isolation herauskommen. Und all die Leute für ein paar Stunden loswerden, die in meinem Kopf leben!

Grosse-Literatur: Vielen, vielen Dank, dass Sie sich die Zeit für dieses Interview genommen haben.

Die Bücher von Dörthe Binkert bei Grosse-Literatur.de
     
   
     
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