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Die Hexen
von Castaway
(2) Der Liebeszauber
© by Sandra Kuhn
Der Mond leuchtete hell am sternenklaren Himmel. Die
elfenbeinfarbene Sichel erinnerte an Zeichnungen kleiner Kinder, die ihn
nur als
halbförmige
Darstellung kannten und nichts wußten von dem runden Ball zur
Vollmondsnacht, in dem gar magische Dinge vor sich gehen mochten.
Doch in dieser Nacht erhellte sein Licht das Schwarz des Himmels, ließ die
Sterne besonders leuchten, zeugte von dem Unendlichen des Weltalls.
Auch auf den Seen spiegelte sich sein Licht wieder und die Straßen
wurden in dunkles Grau getaucht. Einzelne Laternen brannten an
den Straßenrändern und formten schwarze Schatten. Ein Chor
von Grillen zirpte unbeeindruckt sein stetiges Lied und hauchte der
Stille
Leben ein. Hier und da bellte ein Hund oder eine Katze drückte
ihr Mißfallen aus. Die Lichter der nebenstehenden Häuser
waren erloschen, vorbei, der erlebte Tag.
Sie hatte sich in ihre Decke gekuschelt und starrte ins schwarze
Nichts. Die nächtliche Ruhe war so angenehm, ließ ihre Gedanken
schweifen, hinfort zu der Frau mit den selben grünen Augen und den
roten Locken, wie sie. Aus welchem Grund war ihre Schwester ihr begegnet
und nicht sie? Weshalb hatten ihre Visionen Zoey zu diesem seltsamen
blauen Haus geführt, zu ihr? Sie wußte es nicht, doch sicher
gab es dafür einen Grund. Sie hatte feststellen müssen, daß es
für alles einen gab. Auch für ihr Leben, ihre Kräfte,
den damaligen Tod ihrer leiblichen Mutter Brejahna. Sie wollte
sie so gern kennenlernen, ihr so viele Fragen stellen, von ihr geliebt
werden
und auch ihr diese Zuneigung entgegen bringen.
Sie wäre am liebsten aufgestanden um sich ein Glas Milch zu holen,
doch dabei würde sie womöglich Zoey aufwecken, vertrieb deshalb
ihren Durst aus den Gedanken und drehte sich auf die andere Seite des
Bettes. Aber es half nichts. Sie seufzte leise, denn sie konnte einfach
keinen Schlaf mehr finden. Schließlich stand sie auf und tappte
barfuß zur Tür. Als sie diese, ohne einen Laut zu verursachen, öffnete
bemerkte sie das spärliche Licht im Wohnzimmer und sah Zoey über
dem Buch gebeugt auf der Couch sitzen. Ihr langes Haar mochte an weiches
Garn erinnern, daß sich auf ihrer Schulter drapierte und sanft
ihre Gesichtszüge umspielte. Sie hatte Julie bemerkt, doch nicht
aufgeblickt. Zu groß war die Neugier, die ihren Blick in das Buch
drängte. "
Kannst du auch nicht schlafen?" Zoey gab nur ein leises "Mhh" von
sich und durchstöberte weiter die alten Seiten. Julie trank indessen
ein bißchen Milch, die ihre Kehle herrlich kühlte und setzte
sich dann neben ihre Schwester. "
Ich habe über Mum nachgedacht.", begann Julie erneut. "Ich
denke, wir sollten sie nochmals aufsuchen." Wieder antwortete Zoey
mit einem "Mhh." "
Hörst du mir eigentlich zu?" "
Ich lese gerade welche Zutaten man für den Liebeszauber benötigt.",
antwortete sie anstelle. " Liebeszauber?" "
Ja, ich will einen Mann. Einen Freund, mit dem ich einsame Stunden
verbringen kann. Ich bin nicht gern allein!" Sie sah ihre Schwester
mit durchdringendem Blick an. "
Glaubst du nicht, daß wir erst einmal mit unseren Kräften
umgehen lernen sollten? Jeden Tag kann uns ein neuer Dämon töten
wollen. Wir müssen vorsichtig sein!" "
Aber wieso sollte es denn deswegen keinen Mann in meinem Leben
geben? Dieser Zauber steht nicht ohne Grund im Buch des Wissens. Bitte." Ihre
Augen flehten sie mit einem weichen Hundeblick an, während sie ihre
Lippen zu einem Schmollmund schürzte. Julie mußte lachen. "
Okay Zoey. Von mir aus tu es." Damit stand sie auf und ging leisen
Schrittes in ihr Zimmer zurück. Mit bedachten Fingern zog sie die
Jalousie des Fensters auf und blickte hinunter auf die Straße.
Vom Himmel her waren dicke Wolken aufgezogen, die drohend über der
friedlichen Nacht ragten. In den Ästen der Bäume hatten sich
einzelne Windboen verirrt, die deren Spitzen immer wieder aufscheuchten.
Einzelne Regentropfen fielen vom Firmament herab und peitschten an die
Fensterscheibe, in die sie ihren Blick vertieft hatte. Auch Julie hatte
sich schon lange Zeit einen Mann in ihrem Leben gewünscht, der sie
so liebte wie sie war. Der sie gerade deswegen liebte, weil sie so war.
Geheimnisvoll, ohne eine schöne Vergangenheit aus der man erzählen
konnte, ohne ein aufregendes Leben. In ihren Gedanken hielt sie inne.
Aufregend war ihr Leben mittlerweile geworden und gefährlich. Sie überwand
ihre Befürchtungen und Ängste, ging die paar Schritte zu ihrer
Schwester zurück und sagte, als diese sie verwundert anstarrte: "Ich
will auch einen Mann!" Dann begann Zoey zu lächeln und machte
erneut ein Plätzchen auf der gemütlichen Couch für Julie
frei. Einen kurzen Blick ins Buch werfend, erklärte sie Julie was
nötig war um den gewünschten Zauber durchzuführen. Die
aufgeschlagene Buchseite war von geschickten Künstlerhänden
liebevoll mit Aquarellfarben vergangener Zeiten bemalt auf denen harte
Buchstaben mit roter Tinte geschrieben standen; eine feste, bestimmende
Schrift, die beide in die Zeit der Gotik einordneten. Ein, mit Kohle
gefertigtes, Liebespärchen drohnte verträumt am Ende des Textes. "
Wir müssen uns klar darüber sein, welchen Typ Mann wir uns
wünschen, die Art Charakter, den wir schätzen, wie er aussehen
sollte, welche Dinge er können soll..., sein Bild sollte klar vor
unseren Augen stehen; und dann einfach nur drei Mal diesen Zauberspruch
aufsagen. Außerdem brauchen wir drei rote Kerzen." Ihre Schwester überlegte
einen Moment, ging schließlich zu der kleinen Kommode neben der
Tür und holte drei rote Stumpenkerzen sowie eine Schachtel Streichhölzer
hervor, stellte diese auf den gläsernen Tisch und zündete sie
zögernd an. Ein hoher Lichtkegel bildete sich innerhalb kürzester
Zeit über den Köpfen der beiden. Sie schlossen gemeinsam die
Augen, verfingen sich einige Augenblicke in ihren Gedanken als jede sich
den erhofften Mann ausmalte, und sagten mit leiser, bedächtiger
Stimme: "Deine Seele fliegt zu mir, sie sagt stille Worte dir, du
sollst mich lieben, mich nie betrügen, mit mir glücklich sein,
komm und sei nun mein!" Plötzlich erlosch jedes Licht im Raum,
die beiden sahen sich im Halbdunkel an und waren gespannt was passieren
w ürde.
Sie überquerten gerade die überlaufene Hauptstraße von
Springfield, auf der zahlreiche Schausteller, den Bewohnern der Stadt
eine Darbietung eines, ihnen unbekannten, Stückes zeigten. Die Menschen
hatten sich eng aneinander gedrängelt um eine gute Sicht auf die
Bühne zu haben. Die übrigen Stände, Spielbuden und Riesenräder
wurden belagert von vielen Kindern unterschiedlichstem Alter. Das größte
Riesenrad des Platzes drehte unaufhörlich seine, nie enden wollenden,
Runden und der Geruch von Zuckerwatte gab dem Jahrmarkt ein zusätzliches
Flair. Hunderte von bunten Ballons schwebten an kurzen Schnüren über
den Buden und Köpfen der Kinder. Von irgendwo her drang Countrymusik
an ihre Ohren. Der glühend helle Ball am Himmel spiegelte sich in
dem, eigens für den Jahrmarkt, angelegten Teich-Basin wieder, das
dekorativ mit vielen Seerosen geschmückt, von einigen Liebespärchen
umlagert wurde. Zoey trieb es zu den kleinen Modeboutiquen am Rande des
Festes, die zu diesem Anlaß auch am Sonntag ihre Türen geöffnet
hatten. Julie an der Hand zerrend, huschte sie in den angenehm akklimatisierten
Raum, der von einigen Kleiderständern in verschiedenen Größen
und Formen gefüllt war. Julie ließ sich erschöpft auf
einen der bunten Stoffhocker gleiten und fächerte sich ein wenig
kühlere Luft zu während ihre Schwester sogleich hinter einigen
der runden Drehständer verschwand und das umfangreiche Angebot an
Sommerkleidern durchforstete. Als sie nach kurzer Zeit ein, ihrer Meinung
nach, passendes Kleid gefunden hatte eilte sie zu Julie zurück um
ihr Urteil einzuholen. Diese nickte zustimmend und sah Zoey in die Umkleidekabine
verschwinden. Im Laden herrschte reges Treiben, ein kleine Schlange hatte
sich vor der Kasse gebildet, die ungeduldig, mit ihren Outfits in den
Händen, von einem Fuß auf den anderen traten und sich dabei
nach den übrigen Kunden umsahen, die anderen standen zwischen den
einzelnen Regalen oder Umkleidekabinen. In dem großen Spiegel ihr
gegenüber an der Wand beobachtete sie sich mit mißtrauischem
Blick. Sie sah erschöpft aus, von dem Hin und Her auf dem Jahrmarkt,
den vielen Süßigkeiten und der glühenden Hitze. Auf ihrer
Stirn hatten sich kleine Schweißperlchen gebildet und ihre rote
Mähne hing ihr zerzaust ins Gesicht. Sie mußte zugeben, daß sie
von den letzten Tagen auf dem Fest, doch eine gewisse Bräune bekommen
hatte aus der ihre Augen wie Smaragde schimmerten. Das hellblaue Blusentop
hatte sich so eng an ihren Körper geschmiegt, daß sie bald
dachte, es würde zu einer zweiten Haut werden. Doch nicht nur ihre
Kleider fühlten sich völlig durchnäßt an, auch die
Leute an der Kasse machte den Eindruck als könnten sie eine Abkühlung
vertragen. Es schien ihr eine halbe Ewigkeit zu dauern, bis Zoey endlich
ihre Kabine verlassen hatte und sich nun vor ihr präsentierte. Dieses,
in dunkelblau gehaltene, Kleidchen mit V-förmigem Ausschnitt und
tiefem Rücken stand ihr ausgesprochen gut und Julie konnte nichts
weiter tun als ihr Lob zu äußern. Zoey jubelte leise und beäugte
sich eine Weile im Spiegel, ihren Körper immer wieder von der einen
zur anderen Seite drehend. Sie betrachtete ihr Hüfte, wie sie von
dem leichten Stoff umhüllt und ihr Busen knapp verdeckt wurde. Ja,
genau das war es, nach dem sie gesucht hatte. Doch ihr Entzücken
war nur von kurzer Dauer, denn im nächsten Moment huschte ein Schrei
aus ihrem Munde. Ihr Spiegelbild hatte die Gestalt jener schönen
Frau angenommen, die sie vor ihrem kürzlichen Sturz bewahrt hatte
und nach allen Anzeichen ihrer beider Mutter sein sollte. Sie lächelte
sie an und hob die Hand als wollte sie damit ihre Tochter berühren.
Auch Julie war aufgesprungen und sah sich der Frau gegenüber, die
neben dem ihres Spiegelbildes stand. Sie war von ebenso schlanker Gestalt,
wie die Schwestern, ihr feuerrotes Haar trug sie zu einem lockeren Pferdeschwanz
im Nacken gebunden und ihre Augen waren von derselben Schönheit,
wie sie es bei Julie oder sich selbst beobachtet hatte. Ihre vollen blaßrosa
Lippen formten sich als wollte sie etwas sagen, doch keines der Worte
drang an ihre Ohren. An einem der Finger erkannte sie den magischen Ring,
der jeder Marron zum Schutze angeboren wurde. Zoey sprang ein paar Schritte
rückwärts und wollte gerade zu der Umkleidekabine zurück
laufen als ihren Weg ein gutaussehender, muskulöser Mann kreuzte.
Doch sie sah ihn zu spät, rempelte ihn an und riß ihn schließlich
mit ihrem Gewicht zu Boden wobei sie weich auf seinem Körper landete.
Er konnte sein Lächeln nur schwer unterdrücken und verfing
sich im Blick ihrer grünen, geheimnisvollen Augen. Einige Leute,
die scheinbar nichts von der merkwürdigen Frau im Spiegel mitbekommen
hatten, beobachteten sie ungläubig, wie sie ein paar leise Worte
stammelte: "Ä
h, entschuldigen sie. Ich... es tut mir... leid." Er raffte sich
auf und hielt sie bei der Hand. "
Das macht doch nichts.", sagte er mit freundlicher Stimme. Seine
kristallblauen Augen funkelten und einzelne Lichtreflexe tanzten in seinen
schwarzen Pupillen. Die gebräunte Haut fühlte sich weich und
stark unter ihren Fingern an und ein betörendes Kribbeln fuhr durch
ihre Adern. Die schmalen Lippen formten sich zu einem verführerischem
Lächeln, sein Herz schien in seiner Brust zu vibrieren und es kam
ihr vor als könnte sie dessen aufgeregtes Schlagen vernehmen. Sein
Blick versuchte ihr Äußeres zu durchdringen; und beide wären
wohl ewig so stehen geblieben, hätte Julie nicht ein leises Räuspern
von sich gegeben. Der Fremde glitt sogleich aus seinen Gedanken in die
Gegenwart zurück. "
Dafür, daß ich sie aufgefangen habe, sind sie mit etwas schuldig.",
sagte er mit einem verschmitzten Lächeln auf den Lippen. " Und was?" "
Ein Abendessen in dem Kleid." Er reichte ihr seine Hand entgegen
und half ihr auf die Beine.
Scheu rang sie sich ein Lächeln ab und bestätigte seine Bitte.
Der dunkelhaarige Mann nahm ihre Visitenkarte entgegen und versprach
sie anzurufen.
Hastig zwängte sich Zoey wieder in ihre kurzen Jeans und das rosafarbene
Shirt, bezahlte ihre neue Errungenschaft und trabte an Julies Seite nach
Hause. Keine Wort war währenddessen über ihre Lippen gekommen,
kein Lächeln bestimmte ihre Münder. In Gedanken versunken,
ging jede ihren Vermutungen über diese Erscheinung nach und konnte
doch keine Erklärung dafür finden.
In der Zwischenzeit hatte sich ein leichter Wind gebildet, der
ihre Mähnen aus den Gesichtern wehte und ihnen Kühlung verschaffte.
Die Sonne hatte ihren Marsch zum Horizont begonnen und berührte
ganz sanft der Erde Oberfläche. Ein rötlicher Schein legte
sich auf ihre Körper und hüllte sie in ein zartes Orange. Doch
dieses tägliche Ritual des glühenden Balles am weiten Himmel
beachteten sie nicht, zu dem Zeitpunkt interessierte es sie auch nicht,
einzig und allein die mögliche Bedeutung für das plötzliche
Erscheinen Brejahnas im Spiegel zeugte von Interesse . "
Glaubst du, daß er mich nur durch den Zauber zu einem Essen eingeladen
hat?", brachte Zoey zögernd hervor. " Wen meinst du?" "
Den Kerl, den ich zu Boden gerissen habe. Denkst du, daß ist der
Zauberspruch?" "
Ich weiß es nicht. Aber ich glaube ja. Das wolltest du doch. Einen
Mann!" "
Ja, das wollte ich. Was für einen Typ Mann hast du dir denn gewünscht?" Zoey
beäugte ihre Schwester mit ihren großen fragenden Augen. Julie
blickte sie erstaunt an und begann dann: "
Er sollte ein Romantiker sein, einen Sonnenuntergang genauso empfinden,
wie ich es tue. Ihm sollte der Klang meiner Stimme genügen; meine
Nähe zu spüren und mich nicht sofort ins Bett ziehen wollen.
Außerdem muß er die Bedeutung des Lebens genauso für
wichtig erachten, wie ich. Sein aufrichtiger und freundlicher Charakter
sollten sein Wesen bestimmen und ihn in seinem ganzen Tun lenken." Julie
blieb stehen und beobachtete wie sich die letzten Strahlen des Sonnenlichts über
den kleinen Hügeln erhoben und sich langsam verabschiedeten. "
Ist das nicht herrlich?" Sie seufzte und nahm ihre Schwester bei
der Hand. Diese schenkte ihr ein Lächeln und schmiegte sich an sie.
Gemeinsam, sich die Hände haltend, schritten sie die letzten hundert
Meter auf das Haus zu, von dem sie, aus der Ferne, bereits den
Dachsims erkennen konnten. "
Und was für einen Mann hast du dir gewünscht?", fragte
Julie neugierig. Auf Zoeys Mundwinkeln breitete sich ein Lächeln
aus. "
Mein Traummann soll von seiner Leidenschaft geführt werden, die
sich auf unsere Körper legt und die uns verschmelzen läßt
ineinander, daß sich unsere Seelen für einen Augenblick zu
Einer verbinden und jedes Geheimnis dem anderen mitteilen. Er soll dunkelhaarig,
muskulös und intelligent sein und zu dem ein wahrer Gentlemen. Seine
Augen sollen sich in meinen fangen, unsere Blicke sich verlieben, unsere
Körper sich nacheinander sehnen." Julie begann laut zu lachen
und ihre Schwester stimmte mit ein. "
Ich glaube, da hast du schon den richtigen gefunden.", brachte sie
unter Gelächter hervor. Sie umarmten sich und spürten eine
Kraft in sich, die wahrhaft magisch war, die Liebe zueinander, die sie
nach so langer Zeit erst empfinden durften. Das Gefühl, das es jemanden
gibt, der einem eine Stütze ist, egal was kommen mag, der in guten
sowie in schlechten Zeiten zu einem steht, der mit einem lacht
und weint, der einen bedingungslos liebt.
Es war ein heißer Donnerstag, an dem zahlreiche Vögel den
Himmel bevölkerten und bunt ihre Liedchen zwitscherten. Kein Ast,
kein Grashälmchen, auf der angrenzenden Wiese, bewegte sich, daß auf
eine leichte Brise hingedeutet hätte. Keine einzige, bauschig weiße
Wolke stand am tiefblauen Himmelsdach an dem einzelne Flugzeuge entlang
gleiteten. Auf der Asphaltstraße, am Fuße des gläsernen
Stammgebäudes der Ortsansässigen Tageszeitung, mit der neu
angelegten Baumallee, herrschte reges Treiben. Zahlreiche Leute belagerten
den wöchentlichen Markt um besondere Angebote zu erhaschen. Ein
grauhaariger, bärtiger Fischhändler präsentierte mit lauten
Ausrufen seine frische Ware, während an einem anderen Stand leckere
Süßigkeiten in den buntesten Verpackungen dargeboten wurden.
Wer über besonderes Verhandlungsgeschick verfügte konnte selbst
bei raren Stücken niedrige Preise erringen.
Unterdessen saß Zoey in dem großzügig angelegten Redaktionsbüro
der Springfield Gazette. Durch die offenstehenden Fenster und Türen
hatte sich ein leichtes Lüftchen gebildet, das ihr eine angenehme
Kühlung verschaffte. Um sie herum machten sich die meisten Angestellten
in kleinen Grüppchen zum Mittagessen auf, nur sie biß genüßlich
in den dunkelroten, runden Apfel, den sie gerade zwischen ihren Fingern
balancierte als ihr Telefon klingelte. Ungläubig starrte sie auf
die Rufnummererkennung auf dem grünen Display, doch sie kannte den
Anrufer nicht. Unentschlossen hob sie den Hörer an ihr Ohr und meldete
sich. Die Stimme am anderen Ende kam ihr von Anfang an bekannt vor, bis
sie ihn schließlich als den Mann identifizierte, den sie in der
Boutique zu Fall gebracht hatte. Er machte ihr vorsichtige Komplimente
und bat sie um ein Abendessen. Ein zauberhaftes Lächeln umspielte
ihre Lippen, ließ diese an Volumen zusetzen, immer näher drängten
sie sich an den Telefonhörer bis sie auflegte und noch ein Weilchen
in Gedanken auf das Gerät vor ihr starrte. Sie mochte seine weiche,
tiefe Stimme durch die sie sich fühlte als wäre sie schwerelos,
als könnte sie schweben. Genauso kam sie sich jetzt vor. Ihre Augen
ließen ein leichtes Funkeln erkennen und das samtige Grün
wirkte intensiver als sonst. Zoey freute sich wie ein kleines Schulmädchen
auf den kommenden Abend und auf ihn. Sie stützte ihren Kopf in beide
H ände und träumte
vor sich hin.
Zappelig ging sie vor dem großen Wandspiegel auf und ab. Irgend
etwas stimmte nicht so Recht. War es ihr rotes Haar, daß im Kontrast
zu dem marinefarbenen Minikleid stand? Das leichte Jäckchen in dem
zarten Grau oder lag es womöglich an den viel zu hohen Schuhen?
Sie ließ sich auch nicht auf beschwichtigende Worte Julies ein,
sondern betrachtete sich rastlos im Spiegel. So konnte sie doch unmöglich
gehen, so würde sie ihm niemals gegenübertreten können,
dachte sie. Doch was sollte sie tun? Die Türglocke schrillte und
beide erschraken in einem Moment der Zerstreutheit. Zoey fischelte hektisch
die nötigsten Sachen in ihre Handtasche und umarmte ihre Schwester.
Es mußte eben ausreichen, er wollte sie doch in diesem Kleid ausführen,
beruhigte sie sich. "
Ich wünsche dir einen wundervollen Abend", hauchte ihr Julie
ins Ohr und überlies sie dem gutaussehenden Mann im schwarzen Jackett,
der mit einer roten Rose in der Hand vor der Tür auf sie wartete.
Nach kurzer Zeit, in der sie die beiden vom Fenster aus beobachtet
hatte, setzte sie sich an den Tisch und zupfte den kleinen schwarzen
Laptop aus ihrer Tasche. Sie war neugierig, was es wohl Neues in
der Welt geben würde. Zeile für Zeile ging sie die Nachrichten
durch, aber nirgends war etwas ungewöhnliches zu sehen, das vielleicht
auf einen Dämon zu zuschreiben war. Sie hatte schon fast einen zufriedenen
und beruhigten Seufzer von sich geben wollen als Ihr Blick auf ein Schwarzweißfoto
fiel, auf dem ein lebloser Körper einer jungen Frau zu erkennen
war. Sie ließ den Ausschnitt vergrößern. Das Mädchen
war nackt und auf ihrem Bauch zeichnete sich ein, wahrscheinlich mit
ihrem Blut gekritzeltes, Pentagramm ab. Das war allerdings eigenartig,
dachte sie. So weit sie sich erinnern konnte, wurde dieses Symbol in
der Magie verwendet. Doch was hatte es auf dem Bauch einer toten Frau
zu suchen? Dieser Bericht hatte ihr Interesse geweckt. Julie wurde den
Verdacht nicht los, daß es sich bei diesem Verbrechen womöglich
um die Tat eines Dämonen handeln konnte. Dem mußte sie nachgehen
und druckte den Pressebericht samt Foto auf dem kleinen, grauen Tintenstrahldrucker
aus. Dann nahm sie sich das Buch des Wissens zur Hand und begann darin
zu blättern, ohne eine genaue Vorstellung, nach was sie suchen sollte.
Das Kapitel über die verschiedensten Dämonen hatte sie schon
fast inspiziert als ihr Blick auf jenes Zeichen fiel. Ein Pentagramm,
dachte sie. Das mußte es sein. Philantigrodämon stand in dicken
alten Lettern am Kopf der Seite.
Ein Philantigrodämon ist ein ausgesprochen gutaussehender Dämon,
der sich von einem Menschen nur durch seine dunkle Seele und den grellen
gelben Augen unterscheidet. Er kann jede Hexe aufspüren und ihr
die Lebenssäfte entziehen. Der Dämon hinterläßt
auf jedem seiner Opfer ein Pentagramm, das er mit dessen Blut zeichnet,
dieses Ritual dient dazu, das die Kräfte der Hexe zu seinen werden.
Er wird sich nur ausschließlich schwache Opfer suchen, deren Kräfte
nicht angeboren, sondern angeeignet sind und kann damit keiner wahren
Marron gefährlich werden. Aus dem Grund wird er sich einer Marron
nie zeigen und sich ihr auch nicht im Kampf stellen, denn er würde
von ihr, ohne großen Zauber, durch bloßen Ringkontakt in
Staubkörnchen verwandelt.
Julie blickte auf den Bericht, den sie im Internet gefunden hatte.
Er stammte aus der neuen Ausgabe der Springfield Gazette. Sie las
den, zum Foto gehörenden, Text aufmerksam durch, wobei sie ihre Lippen
zu einem schmalen Spalt preßte:
Das Opfer, Maggie Derekson, hatte sich heute öffentlich als HEXE
bezeichnet und war wenig später nach Augenzeugenberichten aus ihrer
Wohnung verschleppt und hier im Levinspark ermordet worden. Der Täter
soll etwa 20 Jahre alt sein und wurde als gutaussehend und sehr groß beschrieben.
Es handelt sich vermutlich um einen Serientäter, der vergangene
Woche Samantha Spell und vor drei Tagen die junge Leslie Nieckson getötet
hatte. Es wird aufgerufen besonders vorsichtig gegenüber Fremden
zu sein und jeden Anhaltspunkt umgehend der Polizei in Springfield
zu melden.
Warum geschahen ausgerechnet in Springfield solch mysteriöse Verbrechen?
Sie faltete das Blatt zusammen und klappte den Laptop herunter. Für
heute hatte sie genug Aufregung erlebt und beschloß ins Bett zu
gehen. Dem Fall konnten sie morgen nachgehen, wenn Zoey wieder von ihrem
Date zurück und sie selbst nicht mehr so angespannt war.
Doch auch als sie in tiefem Schlaf schlummerte, lockerten sich
ihre Glieder nicht. Ein seltsamer Traum nahm ihre Gedanken ein.
Sie stand in einem weiten Maisfeld und hörte wie eine Frauenstimme ihren Namen
rief. Sie dachte es wäre Zoey und rannte der Stimme entgegen, aber
als sie jene erreicht hatte, stand vor ihr eine Frau, in beigefarbene
Leinentücher gehüllt, mit langen roten Haaren, die durch den
aufkommenden Wind zerzaust wurden. Langsam drehte sich jene um
und sie erkannte ihre Mutter, Brejahna. "
Du mußt aufpassen!" Sie nahm ihre Tochter in die Arme und
Julie hatte plötzlich das Gefühl so behütet und sicher
zu sein, wie sie es lange nicht mehr gewesen war. "
Worauf muß ich aufpassen?" Brejahna lächelte, strich
mit den Handflächen Julies Locken entlang und streichelte sanft
ihre Wange. " Er meint es nicht ernst." "
Wer meint es nicht ernst. Bitte sag es doch.", flehte sie und umfaßte
die Arme ihrer Mutter. "
Er wird dich nicht lieben." Plötzlich verschwand sie ins Nichts,
währenddessen hatte die Sonne ihren Platz mit dunklen Gewitterwolken
getauscht, die nun wilde Blitze auf die Erde schickten. Sie lief
mit schnellen Schritten durch die hohen Stauden, doch konnte sie
nirgends einen Ausweg erblicken. Es begann zu regnen, dann zu graubeln.
Hart peitschte
es auf ihre Haut. "
Wo bin ich?", schrie sie laut und ihre Stimme hallte von den nahegelegenen
Hügeln wider. Vor ihr tauchte erneut die Gestalt ihrer Mutter auf
und reichte ihr die Hand, sie ergriff sie eilig und fand sich auf
einmal in einem alten Haus wieder, noch immer die Hand Brejahnas
haltend. "
Wo sind wir?", fragte Julie leise. "
Das ist unser Haus. Hier leben die Marrons schon viele Generationen,
seit dem Tag als Castaway zerstört wurde." Ihre grünen
Augen leuchteten ihr freundlich entgegen und ein Lächeln machte
sich auf den Lippen ihrer Mutter breit. "
Wie habe ich euch vermißt.", sagte sie mit bebender Stimme. "
Wir haben uns auch so schrecklich nach dir gesehnt. Zum Glück hat
dich der Zauberspruch wieder zurück gebracht." "
Ja, das habe ich nur euch zu verdanken." Sie schloß Julie
in die Arme und so standen sie einige Minuten, die Augen geschlossen,
spürten das Gefühl gehalten zu werden.
Julie öffnete die Augen und erspähte nur dunkles Schwarz. Sie
lag wieder in ihrem Bett, obwohl ihr Körper dieses nie verlassen
hatte. Ein Traum, dachte sie, schloß die Augen und fiel in einen
ruhigen, langen Schlaf.
Der rote Wecker schellte zur gewünschten Zeit und riß sie
aus ihren Träumen. Verschlafen tasteten ihre Finger zu dem kleinen
Gerät und betätigten den Kopf, der ihn verstummen lassen würde.
Schlaftrunken blinzelte sie auf das Zifferblatt. Es war kurz nach vier
Uhr, sie rief sich ins Gedächtnis, daß sie heute einen anstrengenden
Freitag vor sich hatte. Müde stand sie auf, schlurfte ins Badezimmer
und ließ sich von dem warmen Wasser der Brause erfrischen. Anschließend
wagte sie einen Blick in Zoey`s Zimmer und mußte mit einem Seufzer
erkennen, das ihre Schwester die Nacht nicht nach Hause gekommen war.
Sie öffnete die Jalousien und erhaschte kurze Zeit den Anblick einer
vorüber fliegenden Sternschnuppe. Die Sonne stand noch unter dem
Horizont und ließ zarte Strahlen zur Erde sinken.
Mit einem Brötchen im Mund verließ Julie ihr Apartment und
begab sich auf den Weg ins Büro der Anwaltskanzlei. Sie mußte
an der letzten Ampel anhalten, als diese auf Gelb wechselte. Neben ihr
kam ein grauer Pickup zum Stehen, dessen Fahrer sie beiläufig mit
einem kurzen Blick musterte. Sein Kinn war von einzelnen hellblonden
Bartstoppeln übersät, die in wahrem Kontrast zu seiner dunkel
gebräunten Haut standen. Die Hakenförmige Nase ging etwas gekrümmt
in die hohe glatte Stirn über. Die Wangenknochen des Mannes standen
leicht hervor, so daß es den Anschein machte als könne man
dies nur von der Seite erkennen. Das kräftige Kinn machte einen
runden Bogen und verschmolz dann mit dem zierlichen Hals an dem einzelne
Adern hervorstachen. Als auch er ihr ins Gesicht sah, bemerkte sie seine
hellen, fast gelben, Augen. Alarmiert sah sie wieder auf die rote Ampel.
Das mußte dieser Philantigrodämon sein, über den sie
im Buch des Wissens gelesen hatte. Aus den Augenwinkeln erspähte
sie sein erschrecktes Gesicht und ohne Vorwarnung überquerte er
bei Rot die Kreuzung. Sie mußte ihm folgen, dachte sie und tat
es ihm nach. Zum Glück war um diese Uhrzeit kein Mensch auf der
Straße, der das hatte sehen können. Sie beschleunigte auf
siebzig Stundenkilometer, dann achzig, neunzig, hundert und der Tacho
stieg unaufhörlich weiter. Doch sie durfte ihn auf keinen Fall verlieren.
Er bog in eine Querstraße ein, sie heftete sich an seine Fersen
und was er auch versuchte, sie durchschaute seinen Plan und blieb hartnäckig
hinter ihm. Sie fuhren nun entlang des Freizeitsees, der noch verlassen
da lag. Die roten Boote standen umgekippt am Ufer der anderen Seite,
nur einige Enten tobten ausgelassen auf dem ruhigen Wasser. Die Sonne
stand inzwischen über den Baumwipfeln und blendete ihre Sicht. Dem
Fahrer des Pickups schien es ebenso zu gehen, denn er sah die abbiegende
Kurve zu spät und raste geradewegs über die Grünfläche
in den See. Ein paar Sekunden schien es als würde der Wagen auf
der Oberfläche schwimmen, doch dann stiegen seitlich viele große
Bläschen auf und er begann stetig ein paar Zentimeter zu sinken.
Julie bremste stark und kam auf der Wiese zum Stehen, stieg eilig aus
und schrie dem Fahrer zu, er solle versuchen auszusteigen. Doch von ihm
hörte sie kein Wort, sah auch keine Bemühung als wollte er
aussteigen und zum Ufer schwimmen. Schließlich ragte gerade noch
das graue Autodach aus dem Wasser, daß nach wenigen Augenblicken
von dem See verschluckt wurde. Sie stützte die Hände in die
Hüfte und wußte nicht so recht, ob sie nun glücklich
oder traurig sein sollte und fragte sich, ob ein Dämonen auch auf
solche Weise sterben konnte. Sie bezweifelte dies zwar, stieg jedoch
wieder in ihren Wagen und steuerte erneut das Büro an. Hatte sie
vielleicht im Buch des Wissens etwas überlesen? Konnte man diesen
Dämonen doch auf solch triviale Art vernichten? Sie wußte,
das die Neugier ihr den Tag endlos vorkommen lassen würde und beschloß kurzerhand
sich heute frei zu nehmen. An der nächsten Telefonzelle brachte
sie das kleine Automobil zum Stehen und suchte hastig ein paar Münzen
aus ihrer Jackentasche, tippte die Nummer ihres Chefs auf die, sich kalt
unter ihren Fingern anfühlenden, Tasten des Gerätes und bat
ihn, ihr den Tag Urlaub zu gewähren; das tat er auch ohne langes
Hin und Her. Kurz schaute sie auf die Armbanduhr, es war nach halb sechs,
Zoey würde sicher noch nicht auf Arbeit sein. Als erstes mußte
sie nach Hause um in dem alten Buch noch einmal den Abschnitt über
den Dämonen durch zu gehen und dann würde sie versuchen ihre
Schwester auf deren Handy zu erreichen. Sie durfte keine Zeit verlieren,
vielleicht war er doch noch am Leben und begab sich wieder auf die Jagd
nach seinem nächsten Opfer.
Es dauerte nicht lang bis sie die Stufen, die sie zu der still
gelegenen Dachwohnung führten, empor rannte. Zu ihrer Verwunderung
stand Zoey unter der Dusche. Julie machte sich unversehens daran, den
Abschnitt im Buch des Wissens noch einmal gründlich zu lesen. "
Kein Anhaltspunkt.", brachte sie ihrer Schwester entgegen als diese
im knappen Handtuch das Badezimmer verließ. "
Was meinst du?", fragte Zoey ungläubig und rubbelte ihr feuchtes
Haar trocken. "
Mir ist gestern ein Bericht über eine junge Frau begegnet, sie wurde
von einem Philantigrodämon umgebracht. Durch Zufall bin ich genau
diesem Dämonen vorhin auf der Straße begegnet und habe ihn
verfolgt, doch sein Auto ist in den See gestürzt." Ihre Schwester
machte große Augen. "
Du hast dich allein auf Dämonenjagd begeben? Wir haben doch ausgemacht,
daß wir das nur zusammen machen! Dir hätte sonst was passieren
können.", entgegnete sie besorgt. "
Keine Angst, er kann einer Marron nichts tun, das steht auch hier
im Buch. Aber es steht nichts darüber geschrieben, ob er auch auf
normale Weise sterben kann." "
Laß mal sehen." Zoey beäugte den Text. "Du hast
Recht. Ich glaube, ihn kann nur der Ring vernichten." Sie machte
ein kurze Pause und sagte dann mit besorgniserregendem Gesicht: "
Wie kann es sein, daß du am Vorabend über diesen Dämonen
im Buch des Wissens liest und ihn am nächsten Morgen begegnest?
Da ist etwas faul?"
Julie versuchte den Einfall ihrer Schwester zu ignorieren und stattdessen
das Gespräch wieder auf den bestimmten Punkt zu lenken. "
Vielleicht war es mir vorher bestimmt, ihn zu finden. Womöglich
ist es unsere Aufgabe die Welt von ihm zu befreien? Er wird sich sobald
wie möglich sein nächstes Opfer suchen! Zoey, das müssen
wir verhindern." "
Aber wie sollen wir ihn denn finden?" Beide blickten sich fragend
an. "
Ich weiß es nicht." Stille lag über ihren Köpfen.
Julie starrte auf das Buch, während Zoey sich Jeans und Pullover
holte und anzog. "
Wie wäre es denn, wenn wir ihn mit Hilfe des Liebeszaubers zu uns
locken?", stieß Julie plötzlich aus als hätte sie über
der Idee gebrütet. "
Ich weiß nicht so Recht, ob das klappen wird." Sie überlegte
einen Augenblick. "Doch, ich denke, das müßte funktionieren." Julie
stand auf und holte die drei roten Kerzen aus dem Vorratsschrank und
zündete sie auf dem Tisch an. Sie reichten sich die Hände,
sahen sich lange in die Augen als würden ihre Blicke einander verschlingen
und sagten dann mit tiefen, dunklen Stimmen: "
Philantigro. Deine Seele fliegt zu mir, sie sagt stille Worte dir,
du sollst mich lieben, mich nie betrügen, mit mir glücklich
sein, komm und sei nun mein!"
Es dauerte lange Zeit, bis sie wieder zu sich kamen, doch nun sahen
sie sich an und wußten nicht so Recht ob ihr Zauber funktionieren
würde. "
Wir müssen daran glauben!", brachte Zoey hervor.
Nun blieb den Schwestern nichts anderes übrig als zu warten. Irgendwann
w ürde er zu ihnen kommen, daß versuchten
sie sich einzureden.
Sie saßen gemütlich am Frühstückstisch der reichlich
mit frisch duftenden Brötchen, weicher blaß gelber Butter,
Honig, Marmelade, grünen kernlosen Weintrauben und Äpfeln gedeckt
war. Ein herrlicher Kaffeegeruch lag in der Wohnung und beflügelte
ihre Gedanken. " Und? Wie war dein Rendezvous?" "
Oh, David ist einfach phantastisch. Er war ein richtiger Gentlemen,
wir haben schön gegessen, getanzt, viel geredet und natürlich..." " Du hast mit ihm geschlafen?" " Ja, warum auch nicht? Julie, wir haben so viel gemeinsam!" " Was denn, zum Beispiel?" "
Er ist Fotograf und arbeitet bei der Promtay Weekly. Er ist spontan,
hört gern Musik und hat dieselbe Vorliebe zum tanzen, wie ich. Die
Nacht war so schön, daß ich sie nie vergessen will. Du kannst
dir nicht vorstellen wie gut er war." "
Na, das will ich mir auch lieber gar nicht vorstellen. Aber ich
bin froh, daß du glücklich bist." "
Oh ja, das bin ich. Das kannst du mir aber glauben. Heute Abend
wollen wir in einen Club gehen, komm doch mit. Du mußt auch unbedingt
jemanden kennenlernen, damit du hier nicht ständig so allein herum
sitzt." " Ach Zoey. Lieber nicht." " Keine Widerrede. Du gehst mit." " Na gut. Wenn es David nichts ausmacht." "
Aber nein. Ich habe ihm erzählt, wie nahe wir uns stehen und er
möchte gern mehr von dir erfahren." Sie legte einen Arm auf
Julies Schulter und lächelte sie freundlich an. Beide zuckten erschrocken
zusammen als jemand gegen die Tür hämmerte. "
Das muß er sein.", flüsterte Julie. "Was tun wir
denn jetzt?" "
Im Buch des Wissens steht, daß er durch bloßen Kontakt mit
unserem Ring zu Staub zerfällt." Zoey erhob sich vom Stuhl
und auch Julie sprang auf und suchte Deckung hinter ihrer Schwester.
Sie öffnete vorsichtig die Tür, nur einen Spalt breit. Die
gelben Augen des Dämon funkelten sie in dem dämmrigen Treppengebäude
an. In seinen Händen hielt er zwei Rosen, seine Mundwinkel umspielte
ein seltsames Lächeln. "
Hier bin ich. Doch so einfach werde ich es euch nicht machen!" Er
warf die Blumen achtlos beiseite und stürzte sich auf die beiden überraschten
Frauen, denen vor Schreck ein Schrei über die Lippen huschte. Er
drückte sie mit seinen bloßen Armen zu Boden als wäre
es ein leichtes für ihn. Laut lachte er und zog ein altes, silberfarbenes
Messer aus seiner Jackentasche, dessen Klinge einem Zick-zack Muster ähnelte.
Doch Zoey konnte es ihm im letzten Moment aus der Faust schleudern. Es
rutschte auf dem Boden entlang bis hinter die Couch, ungesehen von dem
starken Dämonen und den Frauen. Ein grunzender Laut klang aus seiner
Kehle und er wirkte noch gereizter und boshafter. Die Schwestern versuchten
mit aller Macht sich aus seinen Fängen zu befreien, doch er war
einfach zu stark. Sein Mund öffnete sich zu einem dunklen weiten
Loch in dem sie doch eigentlich nichts erkannten. Er murmelte seltsame
Beschwörungsformeln in einer Sprache, die Julie an Latein erinnerten
und dann entstand in der schwarzen Öffnung ein merkwürdiges
Licht, immer mehr stieg es an, begann zu lodern, wie die Flammen eines
Feuers. Zoey und Julie schrien auf vor Angst. Sie versuchten mit noch
mehr Kraft sich ihm zu entwinden und Julie gelang es eine Hand aus seinem
Griff zu befreien. Der Dämon hatte diese anscheinend nicht bemerkt
und so drückte sie ihm den Stein ihres Ringes tief ins Fleisch.
Er gellte laut auf und wand sich unter seinen Qualen. Die Struktur seines
Körpers schien sich langsam aufzulösen, je länger er unter
dem Einfluß des Ringes stand und plötzlich, ohne Vorwarnung,
explodierte er in Millionen Staubteilchen. Sie zwinkerten hastig und
spien den Staub aus ihren Mündern. "
Na toll. Und wer räumt jetzt den Dreck auf?" Julie lachte ihre
Schwester an und sie umarmten sich noch immer auf dem Boden liegend.
Mit einiger Mühe standen sie von dem harten Boden auf und klopften,
in überlegten Bewegungen, ihre Sachen ab. "
So, jetzt muß ich aber schleunigst auf Arbeit, ich bin schon ziemlich
spät dran." Einen kurzen Moment stutzte Zoey. "Müßtest
du nicht auch schon längst auf Arbeit sein?" " Ja, aber ich habe mir heute mal frei genommen." "
Das hast du richtig gemacht, Schwesterchen." Sie gab ihr einen flüchtigen
Kuß auf die Wange. "Dann kannst du ja auch sauber machen." Mit
diesen Worten war sie zur Tür hinaus und Julie konnte hören,
wie Zoey die Treppen hinab polterte. Sie sah wieder zum Boden auf
dem einen zarte Staubschicht lag. "
Na Gott sei dank, hat man schon den Staubsauger erfunden.", lachte
sie und machte sich daran alle Übrigbleibsel des Dämonen zu
entfernen.
Die Sonne stand bereits tief am Himmel als es an der Tür schellte.
Zoey, im tief dekolletiertem schwarzen Samtkleid, öffnete die Wohnungstür
und bat David noch einen kurzen Moment herein zu kommen. Dann stürmte
sie wieder ins Schlafzimmer ihrer Schwester und half Julie in eines ihrer
Kleider. Es war ein, aus leichtem blauen Polyesterstoff, geschneidertes
Minikleid mit Leopardendesign, daß Zoey schon in London gern getragen
hatte. Es paßte ihrer Schwester hervorragend und sie nahm sich
vor, es ihr für die nächsten Verabredungen zu schenken. Eilig
suchte sie die Schuhe mit den hohen Absätzen aus einen der Kartons
und hielt sie Julie unter die Nase. "
Darin kann doch kein Mensch laufen!", brachte diese nur hervor und
unter Widerwillen schlüpfte sie hinein. "
Na, geht doch. Du siehst wunderschön aus.", bestätigte
Zoey und drängte sie zur Tür hinaus. Julie mußte sich
eingestehen, daß David ein zuvorkommender, gutaussehender Mann
war. Sie gab ihm die Hand und er führte beide Damen hinaus in seinen
Wagen.
Sie fuhren entlang der hell erleuchteten Promenade, vorbei am Einkaufszentrum
mit den beleuchteten Werbeschildern, dem dunkel dastehenden Markt
und dem gläsernen, dreistöckigen Gebäude der Springfield Gazette.
Die Ampeln meinten es gut mit ihnen, so mußten sie doch an keiner
anhalten. Dann führte ein schmaler holpriger Kieselweg, an dessen
Seiten hohe grünblättrige Hecken standen, sie einen leicht
ansteigenden Hügel hinauf zu dem gewünschten Tanzclub. Flashlight
stand in blauer geschwungener Leuchtschrift an der Fassade. Die vielen
Parkplätze vor dem Gebäude waren völlig überfüllt,
doch zufällig fanden sie in einer abgelegeneren Ecke ein Plätzchen,
gerade so groß wie Davids Auto. Die Drei drängten sich durch
die Masse und nahmen sich den erst besten Tisch, der gerade frei geworden
war. Heiter tranken sie ein paar Martinis und alberten ausgelassen herum.
Zoey bemerkte zum ersten Mal, wie ausgelassen ihre Schwester sein konnte,
so hatte sie Julie vorher noch nicht erlebt, doch sie war froh, das diese
ihren Spaß hatte. Sie tanzten zu dritt, bis Julie von einem schwarzhaarigen,
netten Mann zu einem langsamen Tänzchen aufgefordert wurde. Zoey
hatte sofort festgestellt, wie Julies Augen dieses verliebte Funkeln
bekommen hatten und mußte sich ein Lächeln verkneifen. David
nahm sie eng in seine Arme und an seinen Körper geschmiegt, schloß sie
die Augen. Sie fühlte seine Bewegungen, seine Stärke. "
Deine Schwester scheint sich ja zu amüsieren.", erkannte er. "
Ja, das habe ich mir so gewünscht." Sie küßte ihn
zärtlich und hoffte, daß dieser Abend nie vergehen würde.
Julie indessen, hatte Gefallen an ihrem Tanzpartner gefunden und
schmiegte sich an ihn. Er hielt sie in seinen starken Armen und
sein m ännlicher Duft betörte ihre Sinne.
Fortsetzung folgt |
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