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klassische
autoren - theodor storm [ 1817 - 1888 ].
Als Sohn des Advokaten Johann Casimir und seiner Gattin Lucie, geb. Woldsen,
wurde Theodor Storm am 14.9.1817 in Husum, einer kleinen Stadt an der
Westküste Schleswig - Holsteins, geboren. (Die Vorfahren des Vaters
waren Niedersachsen und die der Mutter friesischen Ursprungs.)
Nach Theodor folgten im Lauf der Jahre noch elf weitere Kinder, von denen
acht frühzeitig starben.
Das erste große Ereignis in seinem Leben sollte die gewaltige Sturmflut
sein, die in der Nacht vom 3. zum 4. Februar seine Heimatstadt Husum
erfaßte, und die er noch viele Jahre später in den Novellen „Carsten
Curator" und „Der Schimmelreiter" verarbeitete. Entscheidend
für seine weitere Entwicklung waren wohl auch der Garten, der das
Haus des Großvaters in der „Hohlen Gasse" umgab, und
in das seine Familie bald einzog, sowie der jährliche Sommerurlaub
in Westermühlen und Hohn bei Verwandten. In dieser romantischen
Stille konnte er sich in seine Träumereien zurück ziehen.
Ein
weiterer Aspekt der seine dichterische Entfaltung nicht wenig beeinflußte,
war der Märchen- und Sagenschatz seiner Heimat, dessen Erzähler
er nie ganz vergaß.
Bereits als Vierjähriger besuchte Storm eine Klippschule; 1826,
also in seinem 9. Lebensjahr, wurde er in die Quarta der sog. „Gelehrtenschule" seiner
Vaterstadt aufgenommen.
1835 nahm er im Husumer Rathaussaal mit einem
in Jamben* abgefaßten Gedicht auf „Matathias, den Befreier
der Juden" Abschied von der heimatlichen Schule. Dieses Gedicht
seiner Jugendzeit, daß mit den Versen
Dein Stern ging unter, Judas Stern
Erglänzt in neuer Pracht und brennt
An deiner Gruft die würd’ge Todesfackel
endete - und in den Jahren leider verloren ging - bekam der junge
Storm ohne Korrektur von dem Direktor Friedrichsen mit der Bemerkung,
er sei kein Dichter, zurück.
Zur Ergänzung seiner Schulbildung ging Storm im Herbst 1835 auf
das Katharineum nach Lübeck.
Hier übte Ferdinand Röse
eine starke Wirkung auf ihn ein, in dem er einen Freund fand, und der
ihn auch auf Eichendorff, Heine und Goethe hinwies.
Röse las ihm oft aus Goethes Faust vor, der ihn weitgehendst beeinflusste,
doch sowohl Mörikes wie auch Eichendorffs Gedichte lernte er damals
kennen, wobei Eichendorff sein Lieblingsdichter wurde und blieb.
In der Landesuniversität Kiel begann er Ostern 1837 sein Studium
zur Rechtswissenschaft; begleitet von seinem Freund Röse verbrachte
er zwei Semester in Berlin; besuchte Dresden und lernte 1839 in Kiel
die Brüder Theodor und Tycho Mommsen kennen. Gemeinsam gaben die
drei 1843 das „Liederbuche dreier Freunde" heraus, indem
Storms einundvierzig Gedichte noch stark von Mörike, Heine und
Eichendorff geprägt erscheinen.
In diesen Jahren machte Storm auch sein erstes Liebeserlebnis; 1836
lernte er in Lübeck die zehnjährige Berta von Buchau kennen,
pflegte jahrelang einen Briefwechsel mit ihr, in dem er ihr Märchen,
Rätsel und Lieder schickte, hielt 1841 schließlich bei der
Pflegemutter um Bertas Hand an, bekam jedoch eine abschlägige
Antwort von dem Mädchen selbst.
Vielleicht hat das seinen Hang
zur Melancholie verstärkt. So ist auch die Novelle der Entsagung, „Immensee" eine
Erinnerung an Berta von Buchau.
1843 ließ sich Storm nach bestandenem Examen in Husum als Advokat
nieder.
Als einer der ersten Mitarbeiter des von Biernaßki gegründeten
und veröffentlichten Volkskalenders lieferte Storm 1846 unter
dem Titel „Geschichten aus der Tonne" seine „Drei
kleine Stücke aus der Mausekiste" ( die er später noch
einmal für seine drei großen Märchen verarbeitete ),
die „Sage von Graf Ottos Horn", das „Märchen
von den drei Spinnfrauen", plattdeutsche „Döntjes",
sowie in den nachfolgenden Jahren die Novellen „Immensee" in
erster Fassung und „Marthe und ihre Uhr", das „Märchen
vom kleinen Häwelmann" und zahlreiche Gedichte.
Bis 1851
bleibt er bei Biernaßki.
Musikalisch und mit einer guten, nicht ungeschulten Tenorstimme gründete
er einen „Musik- und Singverein" und veranstaltete schon
bald einige Aufführungen.
Im Herbst 1847 heiratete er seine Cousine Constanze Esmarch, die Tochter
des Bürgermeisters in Segeberg (in Holstein). Bis zu ihrem Tode
bleibt die Ehe glücklich, obwohl es für Storm nicht die leidenschaftliche
Liebe darstellte.
Er kaufte ein gemütliches, altes Haus auf der
Neustadt, nachdem sich seine finanziellen Verhältnisse gefestigt
hatten, mit einem Garten dahinter, der mit Rosen, Constanzes Lieblingsblumen,
bepflanzt wurde.
In der Zeit von 1848 bis 1853 erblickten drei Söhne Storms das
Licht der Welt.
Seine „juristische Praxis" wurde ihm nicht selten lästig,
wie er in den Versen
Am Weihnachtsonntag kam er zu mir,
In Jack’ und Schurzfell und roch nach Bier,
Und sprach zwei stunden zu meiner Qual
Von Zinsen und von Kapital;
Ein Kerl, vor dem mich Gott bewahr’!
Hat keinen Festtag im ganzen Jahr.
schreibt.
1848 gelang es dem dänischen König, der Schleswig
als deutscher Bundesfürst beherrschte, es zu dänischem Land
zu machen; so wurde auch Husum von den Dänen belagert. Storm,
der aus seiner deutschen Haltung keinen Hehl machte, wurde die, durch
den Thronwechsel notwendig gemachte, Bestätigung seiner Advokatur
verwehrt.
Nun suchte er außerhalb seiner Heimat nach einer Anstellung
als Richter und führte seine Kanzlei unter dem Namen seines Vaters
weiter. Als er im Februar 1852 bei der Wahl um die Bürgermeisterstelle
in Buxtehude durchfiel, erhielt er in Berlin die Zusicherung für
eine Anstellung im preußischen Justizdienst.
Im November 1853
war alles für eine Übersiedlung nach Potsdam vorbereitet,
Storm war am Kreisgericht, vorerst gehaltlos, zum „Assessor" ernannt
worden, und so zog er fort von seiner Heimat ins „Elend",
wie er die Fremde empfand.
Berufliche Sorgen mischten sich mit materiellen,
die sich daraus ergaben, daß er auf seine schriftstellerischen
Einkünfte angewiesen war, die damals eher gering waren. Eine Hoffnung
für ihn stellten die neuen Freunde dar, die er in Berlin fand;
Franz Kugler, Friedrich Eggers, Theodor Fontane, Bernhard von Lepel,
Wilhelm von Merckel etc.
Im Januar 1854 zwang ihn ein nervöses Magenleiden, verursacht
durch die anstrengende Arbeit sowie den vielen Gemütsbewegungen,
einen achtwöchigen Urlaub zu nehmen.
Er machte Bekanntschaft mit
dem eher zurückgezogen lebenden Eichendorff, die ihm wieder ein
Licht am Horizont sehen ließ; Mörike sendete ihm seine Gedichte,
zum Teil noch im Manuskript.
1855 lernte er auf einer Fahrt mit seinen
Eltern nach Schwaben Mörike persönlich kennen, dem er sich
innerlich verwandt fühlte.
Als Kreisrichter wurde er ein Jahr
später nach Heiligenstadt im Eichsfelde versetzt, womit seine
Not ein Ende fand.
„Meeresstrand", „Im Sonnenschein", „Angelika" und „Wenn
die Äpfel reif sind" spiegeln diese düstere Periode
in Storms Leben wider.
In Heiligenstadt schenkte ihm seine Frau zu den drei Söhnen noch
drei Töchter, er gründete erneut einen Gesangverein und Aufführungen
wurden wieder veranstaltet.
Zu den besten Schriften in dieser Zeit gehören die Novellen „Auf
dem Staatshof", „Auf der Universität", „Veronika", „Im
Schloß", die Märchen „Bulemanns Haus" und „Regentrude".
Im Januar 1863 wurde ein viertes Mädchen geboren, doch das war
auch der einzige Lichtfunken, den ihm dieses Jahr bescherte, sonst
plagten ihn Krankheit, Geldsorgen und die Not seiner Heimat.
Im darauffolgenden
Jahr starb der Dänenkönig und die Dichterfamilie konnte in
die von Storm schmerzlich ersehnte Heimat zurück kehren.
Als die
preußische Regierung ihm seinen gestellten Urlaub verweigerte,
verabschiedete er sich aus deren Dienste. Das tragische Gedicht „Ein
Sterbender" entstand auch in den letzten Monaten der Heiligenstädter
Zeit.
Mit seinem ältesten Sohn reiste er im März 1864 nach
Husum, seine Frau und die übrigen Kinder folgten im Mai.
Storm bezog mit seiner Familie ein Haus in der „Süderstraße",
unweit seines Bruders Emil, der als Arzt tätig war.
Am 20. Mai
1865 starb Constanze infolge eines grassierenden Kindbettfiebers bei
der Geburt einer weiteren Tochter (Gertrude).
1866 schloß er eine zweite Ehe mit der Freundin seiner Schwester,
Dorothea Jensen, in der er ein liebevolle Ehefrau und gute Mutter seiner
Kinder fand. Im selben Jahr noch zogen sie in ein geräumiges Haus
der Wasserreihe um.
1867 wurde er in seiner Vaterstadt zum königlichen
preußischen Amtsrichter ernannt.
1868, zwei Jahre nach Constanzes
Tod, begann er wieder zu schreiben, er veröffentlichte die erste
Gesamtausgabe seiner Schriften in sechs Bänden.
Aus dieser Zeit
stammen u.a.: „Eine Malerarbeit", „In St. Jürgen", „Eine
Halligfahrt", „Beim Bettler Christian", „Draußen
im Heidedorf", „Pole Poppenspäler", „Viola
Tricolor", „Ein stiller Musikant" usw.
Es wurden Theaterproben, Bälle, Vorlesungen in der Aula des Gymnasiums,
Aufführungen des Gesangvereins, von Storm geleitet, veranstaltet
und zum berühmten Treffen entwickelte sich Storms „4-Uhr-Tee",
bei dem er in engerem Freundeskreis gern vorlas.
Noch im gleichen Jahr bekam er von Dorothea eine Tochter geschenkt.
Sein ältester Sohn Hans ging zur Universität und wurde Arzt,
starb aber später an Trunksucht.
Ernst wurde Anwalt, und Karl,
der jüngste Sohn, Musiklehrer in Barel. Die älteste Tochter
Lisbeth vermählte sich mit einem Pastor in Ostholstein.
Trotz der Sorgen durch den Krieg mit Frankreich war er 1876 äußerst
produktiv: „Von Kindern und Katzen und wie sie die Nine begruben" und „Meine
Erinnerungen an Eduard Mörike", 1877 folgte eine Novelle,
in der er sein Leid verarbeitete, das der älteste Sohn ihm gemacht
hatte „Carsten Curator", 1877-78 „Renate", im
Jahr 1878 entstand „Zur Wald- und Wasserfreude", 1878-79 „Im
Brauerhause", 1879 „Eekenhof" und „Die Söhne
des Senators" 1880.
Jetzt war Storm einer der beliebtesten Erzähler geworden und als
Mitarbeiter der angesehensten Zeitungen hochgeschätzt.
Ausgenommen
der hohe Preis seiner Werke war ein Hindernis deren Verbreitung.
Der
Titel eines Amtsgerichtsrates bekam er im Oktober 1879 verliehen, im
Frühling 1880 trat er aus dem Justizdienst aus und erhielt den
Roten Adler-Orden vierter Klasse.
Seit dem Tod seines Vaters 1864 und
1879 dem seiner Mutter hielt ihn nichts mehr in Husum, kurz nach dem
Austritt aus dem Staatsdienst siedelte er mit seiner Familie nach Hademarschen über,
wo er sich ein Grundstück kaufte und sich ein Haus bauen ließ.
Es entstanden u.a. die Novellen: „Der Herr Etatsrat", „Zur
Chronik von Grieshuus", „Es waren zwei Königskinder".
Am 2. Oktober 1886 fesselte ihn eine schwere Lungen- und Rippenfellentzündung
für Monate ans Bett. Trotz der Botschaft vom Tode des Sohnes Karls,
die ihm einen Rückfall bescherte genas er im Februar 1887 und
diktierte, noch im Bett liegend, die ersten Szenen von der Novelle „Ein
Bekenntnis".
Als im Frühjahr Magenbeschwerden auftraten,
verhieß die Diagnose des Hausarztes Magenkrebs. Als der Seelenzustand
Storms allzu schlimm wurde kamen sein Bruder Emil und dessen Schwiegersohn
zu Gast; diese beiden Ärzte nahmen eine Scheinuntersuchung an
ihm vor, verständigten sich mit seinem Hausarzt und erklärten
Storm, sein Leiden hielten sie nicht für Krebs sondern für
eine Erweiterung der Aorta. Diese kleine Lüge bescherte Storm
noch einen heiteren Sommer, in dem er die Kraft fand seine letzte Novelle „Der
Schimmelreiter" zu vollenden.
Als nach einem Besuch in Husum im Januar 1888 erneute Schmerzen und
Schwächezustände auftraten, schloß er mit Mühe
am 9. Februar seinen „Schimmelreiter" ab, trotz allem hatte
er schon wieder eine neue Idee „Die Armesünderglocke",
deren Anfang er noch niederschrieb.
Am 30. Juni ging er zum letzten
Male durch den Garten, um Abschied zu nehmen, am 1. Juli war er unruhig
und begann abends zu delirieren, am 2. stand er nicht mehr auf obwohl
er wieder bei klarem Bewußtsein war.
Nach schwerem Todeskampf
starb Theodor Storm am 4. Juli 1888 um 16.30 Uhr und wurde später
in St. Jürgen auf dem Friedhof beigesetzt.
Theodor Storm zählt
bis heute zu den bedeutendsten realistischen Erzählern.
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