Startseite
Kleines Bücherzimmer Bücher & Rezensionen
TOP-Bücher
Autoreninterviews
Bücher-Charts
Klassische Autoren
und ihre Werke
Schreibfeder - Gedichte
& Kurzgeschichten
Märchen & Sagen
Lexikon
Zitate
Banner
    
   
   
   
Hakan Nesser
 
 
 
  klassische autoren - eduard mörike [ 1804 - 1875 ].
Nächtliche Fahrt



Jüngst im Traum ward ich getragen
Ü ber fremdes Heideland;
Vor den halbverschloßnen Wagen
Schien ein Trauerzug gespannt.

Dann durch mondbeglänzte Wälder
Ging die sonderbare Fahrt,
Bis der Anblick offner Felder
Endlich mir bekannter ward.

Wie im lustigen Gewimmel
Tanzt nun Busch und Baum vorbei!
Und ein Dorf nun - guter Himmel!
O mir ahnet, was es sei.

Sah ich doch vor Zeiten gerne
Diese Häuser oft und viel,
Die am Wagen die Laterne
Streift im stummen Schattenspiel.

Ja, dort unterm Giebeldache
Schlummerst du, vergeßlich Herz!
Und daß dein Getreuer wache,
Sagt dir kein geheimer Schmerz.

Ferne waren schon die Hütten;
Sieh, da flattert’s durch den Wind!
Eine Gabe zu erbitten
Schien ein armes, holdes Kind.

Wie vom bösen Geist getrieben,
Werf ich rasch der Bettlerin
Ein Geschenk von meiner Lieben,
Jene goldne Kette, hin.

Plötzlich scheint ein Rad gebunden,
Und der Wagen steht gebannt,
Und das schöne Mädchen unten
Hält mich schelmisch bei der Hand.

„ Denkt man so damit zu schalten?
So entdeck ich den Betrug?
Doch den Wagen festzuhalten,
War die Kette stark genug.

Willst du, daß ich dir verzeihe,
Sei erst selber wieder gut!
Oder wo ist deine Treue,
Böser Junge, falsches Blut?"

Und sie streichelt mir die Wange,
Küßt mir das erfrorne Kinn,
Steht und lächelt, weinet lange
Als die schönste Büßerin.

Doch mir bleibt der Mund verschlossen,
Und kaum weiß ich, was geschehn;
Ganz in ihren Arm gegossen
Schien ich selig zu vergehn.

Und nun fliegt mit uns, ihr Pferde,
In die graue Welt hinein!
Unter uns vergeh die Erde,
Und kein Morgen soll mehr sein!
 
         
    zurück    
Eduard Mörike
 
Biographie
Bibliographie
Lyrik
Prosa
 
weitere Autoren:
Bertolt Brecht
Gottfried August Bürger
J. v. Eichendorff
Friedrich Hölderlin
J. W. Goethe
Conrad Ferdinand Meyer
Friedrich Schiller
Theodor Storm
Ludwig Uhland